Donnerstag, 18. Juli 2013

Rund um's geschriebene Wort

Eigentlich müsste ich ja selbst ordentlich in die Tasten hauen, um meine Hausarbeit für dieses Semester voranzutreiben. Aber nach einem 3-stündigen Motivationsschub heute Vormittag war's dann leider wieder vorbei.
Damit ich wenigstens nicht den ganzen restlichen Tag unproduktiv bin, werde ich die Gelegenheit nutzen, um mal wieder die geschriebenen Worte anderer zu resümieren, wenn es mit dem eigenen Geschreibsel schon nicht vorangeht. Es folgen also mal wieder 2 Buchtips für euch ;)

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Das erste Buch, welches ich euch nahe legen möchte, ist eines der besten, die ich je gelesen habe und trägt den Titel, "Das kurze Leben des Stuart Shorter" von Alexander Masters.
Es geht um die autobiographische Darstellung eines Obdachlosen, den der Autor bei einer Kampagne zur Freilassung zweier Sozialarbeiter kennenlernt. Alexander ist auf seltsame Weise fasziniert von diesem Mann anfang dreißig, der sein Leben auf der Straße fristet und einfach in sämtlichen Facetten so ganz anders ist als alle Menschen, die er bis dahin kannte. Aus dem anfänglichen "Projekt", welches er in Stuart sieht, um seine Autorenkarriere voranzutreiben, entwickelt sich im Laufe der Zeit eine seltsame Freundschaft.
Der Autor taucht immer tiefer in Stuarts Leben ein, ergründet nach und nach dessen Vergangenheit, immer mit dem Ziel vor Augen, die Stelle in Stuarts Lebenslauf ausfindig zu machen, an der er zu dem geworden ist, der er nun ist - um am Ende festzustellen, dass es DEN Wendepunkt nie gegeben hat, dass die Hintergründe einer Biographie wie Stuarts so vielschichtig sind, wie dessen Persönlichkeit.
Denn Stuart seinerseits lässt sich am besten als eine obdachlose Version von Dr. Jekyll und Mr. Hyde bezeichnen. Ein unberechenbares, abstoßendes Monster einerseits und ein zutiefst bedauernswertes, aber gutmütiges und intelligentes menschliches Wesen andererseits. Und genau diese Wesensart beschreibt Alexander Masters in seinem Buch so eindrucksvoll detailreich, so verzweifelt nüchtern wie auch köstlich humorvoll, dass er dem Leser damit eine Welt eröffnet, in die auch er selbst völligst unbedarft hineingestolpert ist. Genauso wie der Autor selbst nimmt man ein stückweit teil an diesem Leben, an diesem Menschen Stuart, ohne jemals wirklich zu verstehen was, wie und warum...
Der Originaltitel "Stuart - A life backwards" weist darauf hin, dass der Autor das Leben des Protagonisten rückwärts erzählt. Meiner Ansicht nach stimmt das nur teilweise, denn dies empfand ich als das einzige Manko des Buches, nämlich dass man sich zunächst an den etwas wirren und sprunghaft wirkenden Schreibstil gewöhnen muss. Aber vermutlich entspricht dieser Stil eben genau der Person, die er zu umschreiben versucht, weswegen schlussendlich Stuarts Forderung an Alexander auch erfüllt ist:
"Alexander, mach was draus - du bist der Schreiber. Ich hab's nur gelebt."

(Und es gibt eine wirklich ganz wunderbare (britische!) Verfilmung zu diesem Buch - allerdings mal wieder nicht in deutscher Synchronisation! Und in diesem Fall auch noch nicht mal mit Untertiteln erhältlich, welche aber leider gerade hier mehr als angebracht wären, da der wirklich phantastische Darsteller des Stuart auf Grund seiner Rolle extremst nuschelt...)



Als nächstes gibt es eine etwas leichtere, aber nicht minder gute Lektüre: "Gut gegen Nordwind" von Daniel Glattauer erinnert vom Klappentext her zunächst an den verkitscht-romantischen Film "Email für dich". Aber schon nach den ersten paar Kapiteln, die man bei dem sehr flüssigen Stil in windeseile gelesen hat (insgesamt hab ich für das Buch nur 2 Tage gebraucht), wird klar, dass das Ganze mit Kitsch nicht viel zu tun hat.
Zwei Menschen lernen sich übers Internet kennen und aus einem Tipfehler wird somit eine intensive Emailkorrespondenz, deren spritziger Wortwechsel den Leser daran hindert, das Buch aus der Hand zu legen, wenn es nicht unbedingt sein muss.
Emmi und Leo sind sich völlig fremd - und werden sich genau aus diesem Grund im Laufe der Zeit immer vertrauter. Nur durch geschriebene Worte lassen sie den jeweils anderen an ihrem Leben teilhaben und gewähren sich Einblicke in ihre Gedanken, wie sie sie nicht einmal ihren engsten Freunden gestatten. Aus anfänglicher Amüsiertheit über dieses zufällige und ungewöhnliche Kennenlernen wird bald eine Sucht, welche sie nervös und frustriert werden lässt, wenn das Emailpostfach einmal leer ist.
Und über dieser stellenweise geradezu magisch wirkenden Beziehung, die sich zwischen den beiden aufbaut, schwebt stets und mit steigender Korrespondenz das Damoklesschwert mit der unumgänglichen Frage: Würde ein reales Aufeinandertreffen dieser so eigenartig besonderen Beziehung standhalten?
Ab der Hälfte des Buches geraten die beiden Protagonisten in eine wahre Achterbahnfahrt ungeklärter Fragen, Zweifel, Neugierde....teilweise wird das für den Leser dann leider doch etwas anstrengend, weil man bei dem ganzen Hin und Her, den ausgemachten und dann doch wieder abgesagten Treffen irgendwann einfach nur schreien möchte "Mein Gott, entscheidet euch endlich mal!".
Andererseits ist aber ja genau das der ewige Cliffhanger am Ende eines jeden Kapitels, der zum Weiterlesen zwingt und der irgendwie Spaß macht. Und hat man den Anfall der Genervtheit überwunden, kann man so richtig schön mit den beiden Hauptfiguren mitleiden, kann sich in sie hineinversetzen, kann sich fragen, was man selbst in einer solchen Situation tun würde...und wünscht sich eben genau diese, eine solch unbeschreiblich schöne Verbindung zu einem Menschen, zunehmend selbst herbei, obgleich die Figuren immer mehr darunter leiden.
"Gut gegen Nordwind" ist leichtfüßig und intelligent zugleich, es ist romantisch ohne kitschig zu sein. Es ist Realität und Phantasie, es ist zum Lachen und zum Weinen.

(Ich habe gesehen, dass es eine Fortsetzung des Buches gibt. Aber ich will sie nicht lesen. Bei manchen Büchern sollte man sich die Fortsetzung selbst zusammenspinnen.)

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Viel Spaß beim Lesen, wer Lust darauf bekommen hat ;)

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