Freitag, 13. Februar 2015

Grausame Welt

Wenn ein Mensch stirbt, ist das schlimm. Je jünger ein Mensch ist, umso tragischer ist es. Und wenn dieser Mensch auch noch freiwillig geht, ist es das erst recht...

... und wenn es sich dabei sogar um ein Kind handelt... ein Kind von kaum 13 Jahren ... dann ist das einfach nur unbegreiflich...


Mir ist schlecht. Der berühmte bildhafte Schlag in die Magengrube, die eiseren Faust, die das Herz zusammenquetscht, der Kloß im Hals, der die Luft zum Atmen nimmt...
Ein Kind... sein ganzes Leben noch vor sich, so viele Dinge, die er noch nicht kannte, so viele Erfahrungen, die er noch nicht gemacht hat und nun niemals machen wird... die erste Liebe, der Schulabschluss, reisen, sich die Welt ansehen... sehen, wie schön sie sein kann...
Welch Ironie. Diese Welt ist nicht schön. Nicht immer. Sie kann unfassbar grausam sein, jeden Tag. Wir denken nur nicht jeden Tag darüber nach. Um nicht verrückt zu werden... bewusst wird es uns erst dann wieder, wenn solche Tragödien sich im unmittelbaren Umfeld ereignen, wenn man selbst einen Bezug dazu hat.
Ich kannte dieses Kind, erinnere mich gut. Ein recht stiller Junge, schon immer, sensibel auch. Aber nicht gänzlich verschlossen oder gar depressiv wirkend.
Schon bei jungen Erwachsenen, die sich das Leben nehmen ist mir stets unbegreiflich, wie das nächste Umfeld es nicht bemerken kann, wenn es jemandem so dermaßen schlecht geht. Aber ein Erwachsener ist in der Lage, eine Maske aufzusetzen und erfolgreich zu schauspielern, wenn er es nur will. Aber ein Kind? Selbst den Stillen unter ihnen sieht man ihre Gefühlslage an, sie haben noch nicht die Fähigkeit, Emotionen richtig bewusst zu kontrollieren. Und wenn man nur einmal hinsieht, richtig hinsieht, dann erkennt man das doch... sollte man jedenfalls meinen.
Wie kann ich als Elternteil nicht erkennen, wenn es dem eigenen Kind so schlecht geht? Wie kann ich so unaufmerksam, so mit mir selbst beschäftigt sein, dass mir das beim EIGENEN KIND nicht auffällt? Ein Erwachsener führt bereits sein eigenes Leben und kann andere daraus ausschließen, wenn er das will. Ein Kind kann das nicht wirklich, es ist tagtäglich umgeben von Erwachsenen, die ein Auge auf es haben. Oder besser gesagt haben sollten...
Ich begreife es nicht. Begreife nicht, wie sich ein Kind so alleingelassen fühlen muss, dass es beschließt, zu gehen. Das sind die Momente, in denen man sich fragt, in was für einer Welt wir eigentlich leben... in was für einer ignoranten, selbstbezogenen Gesellschaft, in was für einem Sumpf aus Schlechtigkeiten, Ungerechtigkeiten, Hartherzigkeiten.
Man denkt zwangsläufig an all das Elend, welches man jeden Tag in den Nachrichten sieht und auch an das, welches man nicht sieht, welches aber da ist. Und wenn man das tut, sich das antut, ganz bewusst... dann ist es auf einmal gar nicht mehr so unbegreiflich, dass sich in einer solchen Welt ein 13-Jähriger vor den Zug wirft... und DAS wiederum, die Erkenntnis, dass es einen irgendwo nicht zu wundern braucht - ist... grausam.


... und wie macht man das anderen Kindern begreiflich? Besonders jenen, die den Jungen auch kannten und die, natürlicherweise, bereits gestern nach der Nachricht völlig verstört waren... ohne, die ganze Wahrheit zu kennen. Und über kurz oder lang werden sie die Wahrheit über den "Unfall" herausfinden. Wie groß muss dann erst die Verstörung sein...?



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In Gedenken an P. 
Ich hoffe, du findest in einer anderen Welt das, was dir hier versagt blieb...

7 Kommentare:

  1. Ich glaube, dass jeder es so gut macht, wie er gerade kann auf dieser Welt. Auch wenn das manchmal nicht viel scheint und geprägt ist von Nicht-Sehen(-Können). Ich fühle mit dir und sende dir liebe Grüße.

    (((♥)))

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    1. Danke für deine Anteilnahme
      Was ich dir antworten soll weiß ich gerade nicht so recht. Weil mich diese Blindheit gegenüber unseren Mitmenschen schockiert. Weil das eigene Kind kein "Mitmensch" ist. Weil es nicht sein sollte, dass man mit 13 Jahren so verzweifelt sein muss... weil weil weil...
      Es ist schwer zu begreifen. Und zu ertragen.

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  2. Weckt bei mir leider auch schlimme Erinnerungen... Ich drücke Dich und bin in Gedanken bei Dir!
    Liebe Grüße, Silke

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    1. Auch dir vielen Dank für deine Anteilnahme.
      Dass es bei dir auch schlimme Erinnerungen auslöst ist ein weiterer Beweis, dass solche Dinge öfter geschehen, als es einem im Alltag bewusst ist. Einfach nur tragisch...

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    2. Ich kenne natürlich den Fall nicht, von dem Du schreibst, aber ich möchte noch sagen, dass es ganz sicher nicht immer mit “Blindheit“ der Umgebung zu tun hat, wenn so etwas furchtbares passiert. Selbst bei allergrößter Aufmerksamkeit können Dinge geschehen, die einen danach gerade deshalb sprachlos werden lassen und in Verzweiflung stürzen, weil eigentlich eine schwierige Phase gerade zu Ende gegangen war. Wir alle wissen zu wenig über das, was in Menschen manchmal vorgeht, und einige können sich mit einer Hülle von Normalität umgeben, die Du nicht durchschaust. Und dann stehst Du plötzlich fassungslos (im besten Sinne des Wortes) vor einem Trümmerhaufen.
      Es ist ein ganz furchtbar schwieriges Thema...
      Ganz liebe Grüße, Silke

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    3. Wie ich bereits schrieb, bei einem Erwachsenen kann ich es noch eher nachvollziehen, wenn die Umgebung das Ausmaß seiner Verzweiflung nicht unbedingt mitbekommt. Wer sich nicht helfen lassen will findet sicher Wege, den Schein zu wahren. Aber bei einem Kind fällt es mir extrem schwer mir vorzustellen, dass man das nicht merkt...
      Es sollte außerdem auch nicht um Schuldzuweisung gehen sondern eben die große Fassungslosigkeit zum Ausdruck bringen, die einen zwangsläufig bei solchen Tragödien erfasst. Schuldige zu suchen bringt nun auch keinem mehr was... Schlimm ist eben, dass solche Dinge überhaupt geschehen...

      Ganz liebe Grüße zurück und ich drück dich auch mal...

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  3. ich glaube, das fragen sich die eltern den rest ihres lebens... (ohne die situation zu kennen)... 13jährige können schon sehr, sehr gut darin sein, ihre wahren gefühle vor ihrem nächsten umfeld zu verbergen. sie sind nur meist noch nciht gut darin, um diese gefühle in relation zu stellen und sie haben noch kein so ausgeprägtes konsequenzdenken. ich hatte mit 13 auch solche gedanken und ich weiß, dass es sehr leicht ist, sein umfeld glauben zu lassen, dass alles in ordnung ist. meist hat man irgendwo anders ein ventil - heute vermutlich oft im internet - aber das finden die eltern vermutlich nie heraus. es ist unglaublich tragisch, wenn so junge menschen so weit gehen, denn im nachhinein hätten sie bestimmt festgestellt, dass es der falsche weg war :(

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