"Wer glaubt, ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich. Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht."
Albert Schweitzer
Ach, der Mann ist doch wirklich einfach nur gut, oder?! Der hat halt einfach Recht...und bei diesem Zitat fühle ich mich persönlich ja besonders angesprochen. Weil das halt genau meine Rede ist. Und ich GENAU DAS das nächste Mal meiner Oma ins Gesicht sagen werden, wenn sie uns "böse böse" Kinder und Enkelkinder wieder 3 Wochen lang mit dem A**** nicht anguggt, weil wir es mal wieder gewagt haben, nicht in die Kirche zu gehen, die sie doch extra für die verstorbene Verwandschaft bestellt hat....Was folgt, ist ein Schmoll-Zenario erster Güte und mit den immer gleichen Argument: "Das kann man doch einmal machen...ich würde mich so freuen....."
Dabei sind es die Zwischentöne, um die es geht. Es geht nämlich schlussendlich weder darum, christliches Pflichtgefühl zu entwickeln, noch einer alten Frau einen Gefallen zu tun. Es geht nur um eins: Die Leute.
Nicht die Verstorbenen etwa, nein, um die Lebenden. Diese immer greiser werdende Dorfgemeinschaft, die sich aber bis zum letzten Atemzug das Maul zerreißen wird, z.B. weil bei Familie xy ja wieder nur die arme Oma in der Kirche war, die Kinder kümmerts ja nicht....
Und das tut es tatsächlich nicht, das Geschwätz, meine ich. Mir ist das sowas von Schnurz, ich kenn die Leute noch nicht mal.
Wen ich allerdings kenne, das sind meine Großeltern. Und deren unermüdlicher Kampf, uns doch noch zu "guten Christen" umpolen zu können, die ordentlich in die Kirche gehen, schön beten und einen Euro in den Klingelbeutel werfen. Und die vor allem aber dabei auch GESEHEN werden, die zeigen, dass sie das alles tun.... hach wie gut, hach wie toll....
Ich begreife einfach nicht, dass sie das nie raffen werden! Dass sie nie verstehen werden WARUM man nicht in die Kirche geht und diesen Affentanz mitmacht.
Das man eine andere Ansicht über die christliche Religion, bzw. Kirche haben könnte als die, die die Bibel einem vorschreibt, ist für diese Generation undenkbar.
Dafür können sie ja nichts, die haben das als Kinder so dermaßen eingetrichtert bekommen, dass jegliche Art von selbstständigem Denken flöten gegangen ist. Und irgendwie brauchen sie diese Art von Glauben auch, er gibt ihnen Halt.
Bitte, hab ich nix dagegen, jeder wie er will.
Aber genau diese Toleranz erwarte ich gleichermaßen auch zurück.
Und überhaupt hierin liegt die Ironie der Sache: Toleranz. DAS ist es, was meiner Meinung nach einen sog. guten Christen ausmacht. Die Menschlichkeit.
Wenn ich schon einen religiösen Glauben praktiziere, dann soll das keiner sein, der sein ganzes Handeln nach einem strafenden, rachsüchtigen Gott ausrichtet, der einen weniger liebt, weil man nicht in die Kirche geht.
Es soll ein Glaube sein, der uns von Menschleichkeit und Güte und Rücksichtnahme lehrt, der uns dazu anhält, einander zu respektieren und wertzuschätzen. Und der mir auch sagt, dass ich das Leben wertschätzen soll, anstatt mir unaufhörlich Angst einzuflößen, dass ich im Leben nach dem Tod der Arsch bin, wenn ich mich hier nicht benehme.
Hm, warte mal, da war doch mal jemand, der eben genau von diesen Dingen, der Menschlichkeit, gesprochen hat.....richtig, der Typ hieß Jesus!
Tja, liebe Großeltern, wenn man da so eure mehr oder weniger subtilen Sanktionen betrachtet, die ihr über unsereins verhängt, könnte man das Gefühl bekommen, dass da jemand nicht richtig zugehört hat in der Bibelsstunde....
Aber genau das ist es ja, dass Zuhören leider nicht gerade eure Stärke ist.
Denn sonst könntet ihr vielleicht verstehen, dass es Menschen gibt, für die die Kirche nichts weiter als eine Institution ist, die sie nicht brauchen um einen Glauben zu praktizieren. Aber stattdessen verurteilt ihr solche als "Sünder" und sprecht in eurer christlichen Nächstenliebe ein Gebet für sie, damit sie nicht in der Hölle landen. Tolle Toleranz.
Kein Mensch wird diese Toleranz, diese Menschlichkeit, jemals zur Perfektion bringen. Auch ein Mensch wie beispielsweise der oben zitierte Albert Schweitzer war sicher nicht ohne jeglichen menschlichen Tadel.
Aber es geht nicht um Perfektion oder - wie meine Oma es wohl lieber nennen würde - Sündenlosigkeit. Es geht um die Mühe, die man sich dabei gibt. Um die Mühe, diese gepredigte Menschlichkeit auch in die Tat umzusetzen.
Und auch das sollte man nicht als eine Art Punktekonto sehen. Ich will kein Fleißbildchen für eine gute und einen Strich für eine schlechte Tat bekommen.
Und deshalb möchte ich keinen wöchentlichen Gottesdienst besuchen, der mir nicht mehr beweist als nur das, dass der Schein und die Pflichterfüllung wichtiger sind als die Menschen. Das empfinde ich einfach als zu traurig. Und deshalb lasse ich es. Und stelle mich lieber weiterhin diesem immer gleichen und sich nie ändernden Generationenkonflikt. Mit der inständigen Bemühung, meine Großeltern nicht für ihre Verhaltensweise zu verurteilen.
Vielleicht gelingt mir das ja eines Tages besser als heute Abend.
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Im Anhang nun noch den August-Soundtrack; Ein Song, den ich gerade über alles liebe.
Und der sogar auch irgendwie - wenn auch eigentlich nicht beabsichtigt - zum Thema passt.
Oder zumindest kann ich gerade auch meine Gefühlslage diesbezüglich ein Stück weit in diesen Song hineieninterpretieren:
Ingrid Michaelson - Turn to stone
Hi Isi!
AntwortenLöschenHmmm...irgendwie geht der Link zum August-Soundtrack nicht... *grübel*
Glauben, Kirche - ein spannendes Thema, das du da ansprichst. Ich kann gut nachvollziehen, was du schreibst. Mein Vater ist seit ich denken kann bei der evang. Kirche angestellt und das hat natürlich auch meine Kindheit / Jugend beeinflusst, oder sagen wir, ich habe vieles mitbekommen von dem, wie es in einer Kirchengemeinde zugeht. (Obwohl ich hier erwähnen möchte, dass meine Eltern glücklicherweise niemals "Glauben" mit "Kirche" verwechselt bzw. "vermischt" haben und uns somit niemals etwas "aufgedrängt" haben, worüber ich sehr froh bin.)
Letztens dachte ich so bei mir, dieses ganze Gerüst, diese Institution "Kirche", sie bricht langsam auseinander, das Fundament wird brüchig - und das ist gut so! Ja, gut so! Weil es vielleicht an der Zeit ist, dass diese alten Strukturen gehen, um somit den neuen, liebevolleren Wegen / Möglichkeiten Platz zu machen.
Bezüglich dem, was du über die ältere Generation schreibst - ja, ich glaube, es ist für sie eine Art Anker. Ein schwieriges Thema - und vielleicht bleibt einem wirklich nur, sich diesbezüglich in Toleranz zu üben. Eben Toleranz zu zeigen gegenüber denen, die nicht die Kraft und die Klarheit besitzen, tolerant sein zu können...hm...
LG an dich.
Hi Meike,
AntwortenLöschenich weiß nicht, wie es in der evangelischen Kirche zugeht, aber was die katholische betrifft, bestehendie da ja ernsthaft teilweise bis heute noch mittelalterliche Praktiken: Dieses "Kirche für die Verwandtschaft bestellen" kostet ja schließlich was und ist deshalb nichts anderes als der Ablasshandel. Gegen Bezahlung bekommt man seine Sünden erlassen. Bzw. in diesem Fall blechen die Hinterbliebenen dafür, dass die Verstorbenen nicht allzu lange im Fegerfeuer ausharren müssen.
....ehrlich....ich finde dafür keine Worte, mir ist das so dermaßen unbegreiflich, wie man so denken kann. Und ich sage bewusst "denken", weil das für mich einfach nichts mehr mit "glauben" zu tun hat.
Wie kann man solcherlei Praktiken mit Glauben verbinden?!
Aber wie du schon sagtest: Versuchen, Toleranz zu üben ist vermutlich das einzige, was da hilft...
(Der Link sollte jetzt funktionieren ;) )
1. Das ist halt die ältere Generation die kann man nicht mehr ändern!!
AntwortenLöschen2. Kenn ich dazu einen sehr guten Witz (erzähl ich dir dann mal bei Gelegenheit), aber ich glaube, dann öffnet mir deine Oma nicht mehr die Türe beim nächsten Besuch.
Und wenn wir schon dabei sind noch zwei schöne Zitate zu dem Thema:
Ich weiß nicht, wohin Gott mich führt: aber wenn er diese Richtung beibehält, schlage ich vor, dass er allein weitergeht. - Bruno Bettelheim
Christi Niederlage war nicht die Kreuzigung, sondern der Vatikan. Jean Cocteau
Und was "denn Sinn des Lebens" ausmacht / Ist schaun wir demnächst =)