Samstag, 20. April 2013

Der Mensch und das "Es"



Ich hab’s im letzten Post versucht anzusprechen. Es ging nicht, nicht wirklich.
Dann hab ich’s seinlassen. Dachte, vielleicht legt sich das alles wieder, dann kann ich mir die Mühe und vor allem die Aufregung sparen.
Es hat sich aber nicht gelegt. „ES“ ist immer noch präsent, schreit mich an aus allen Winkeln.


„Es“ ist der Mensch. An sich und in der Gesellschaft, als Einzelner und als Kollektiv.
 „Es“ ist das Befremdliche,  Unheimliche, das aber dieser Tage nicht leise schleichend sein Unwesen treibt, sondern wie das Monster im Kleiderschrank, das wir immer fürchteten, und welches nun tatsächlich brüllend daraus hervorspringt.
Hm. Eigentlich wollte ich eine andere Metapher verwenden. Dass ich nun bei dieser gelandet bin zeigt, dass sich das Unterbewusstsein doch manchmal treffender auszudrücken weiß, als man glauben möchte. Denn das Thema Mensch und Gesellschaft, also alles, was man gemeinhin mit Pronomen wie „Ich“ und „Wir“ bezeichnet, nun mit „Es“ zu betiteln, finde ich gerade mehr als bezeichnend.
Ein „Es“ ist ein Ding ohne Bewusstsein, ohne Seele, ohne Sein. 
Ein menschliches Wesen wird durch das Gegenteil davon definiert.
Und doch steckt, so scheint es, in allem Menschlichen auch immer ein „Es“.
Und darum geht es, um diese vom Mensch selbst gern ignorierte Seite seines eigenen Wesens, die, die nicht denkt, die entgegen aller Vernunft, die sie besitzen sollte widerrechtlich handelt, die lernfähig sein sollte und es so oft nicht ist…die ein „Es“ ist, und kein Mensch in dem Sinne, zu dem er sich über jahrtausende an Menschheitsgeschichte angeblich gemacht hat.

Ich weiß nicht genau, warum ich dieser Tage für diese Art von Thematik so sensibel bin.
Aber vermutlich lässt sich da gar nicht von Sensibilität reden, weil es („ES“) einfach nicht zu übersehen ist, weil es mir von allen Seiten des täglichen Lebens entgegen schreit, und eben nicht nur aus dem metaphorischen Kleiderschrank;
Sei es nun die Freundin, die in ihrem Selbstwertgefühl verletzt wurde, weil sie eindeutig eine diskriminierende Erfahrung machen musste.
     Der Mensch ergießt sich in Vorurteilen.
Seien es Filme, die Themen wie Hexenverbrennungen, Sklaverei und Kriege skizzieren, und das teilweise sogar nur am Rande, ohne dass es der eigentliche Plot des Films ist. Und dennoch bleibt am Ende, wenn man selbst alles gewollt Überzogene, Blutige und die Effekthascherei subtrahiert, eine Linie menschlicher Grausamkeit, die sich durch alle Zeitalter hindurch zieht und die einen nur noch fragen lässt: Lernen wir denn nie?
     Der Mensch ist uneinsichtig.
Sei es mein neues Studienmaterial, dass mich durch eine Zeitreise sozialer Ungleichheit führt und mir außer dem Gedankengut vieler revolutionärer Denker doch aber auch vor allem eines zeigt: Es gibt bis heute keine Lösung. Es gibt bis heute kein gerechtes Teilen und Handeln zwischen den Menschen.
     Der Mensch ist egoistisch und herrschsüchtig.
Sei es das leidige Thema des Leistungsdrucks, welches sich mir schon aus rein beruflichen Gründen unübersehbar aufdrängt, welches aber zunehmend unser aller Leben bestimmt. Wir stellen kognitive Leistung über alles andere und werden blind für andere Kompetenzen, die uns ausmachen sollten…..   
     Der Mensch erschöpft sich in elitärem Denken und ist oberflächlich.
Sei es die Fülle an Dokumentationen, Berichten, Studien, die uns allesamt darauf hinweisen, dass wir wider allen besseren Wissens aus Forschung und Wissenschaft weiterhin unseren eigenen Lebensraum zerstören und unsere Ressourcen aufbrauchen - bis wir uns irgendwann selbst ausgelöscht haben.
    Der Mensch ist unvernünftig.
Und sei es das allgegenwärtige kollektive System, in welchem wir leben, welches wir selbst sind. Das, das sich je nach Zeit und Gesellschaft anders gestaltet und letztlich doch immer gleich ist, gleich in seiner Macht, uns zum Mitziehen zu zwingen. Obwohl es in sich so krank und schwächlich und unsinnig ist. 
    Der Mensch ist beeinflussbar.


Ich denke, ich könnte diese Liste noch mühelos um einige Punkte erweitern. Und alle würden sie miteinander verbunden sein, alle würden sie zeigen, dass das eine das andere bedingt und umgekehrt.
Genauso gut hätte ich aber auch alles hier Erwähnte auf ein einziges Beispiel begrenzen können. Und dieses hätte, ganz für sich alleine stehend, dennoch bereits eines veranschaulichen können:
Der Mensch ist nicht das, wofür er sich hält, was er vorgibt zu sein, was er sich selbst glauben machen will. Mit seiner Vernunft, seiner Lernfähigkeit, seinem Mitgefühl ist es manchmal nicht weiter her als der Steinwurf bis zum nächsten Dilemma der Menschheitsgeschichte.
Ich sage nicht, dass er diese guten Fähigkeiten, mit denen er sich rühmt, gar nicht besäße. 
Aber ich sage, dass er allzu oft nicht mehr ist, als das „Es“, dass ihm innewohnt.




2 Kommentare:

  1. Ich habe lange überlegt, was ich zu diesen starken Worten schreiben möchte. Ein bisschen gehts mir jetzt wie dir zuvor - ich kann es nicht in Worte fassen! Verdammt! Das, was ich gerne sagen möchte! Ich merke aber, dass ich auf der Fühlebene erfassen kann, was du meinst, und ein bisschen schmerzt es in mir, weil das so sehr auch das berührt, womit ich immer wieder...ja, ich möchte es fast Probleme nennen...habe. Diese Menschen. Diese Menschen! Das denke ich so oft, weil ich oft traurig bin, wenn ich sie beobachte, und ich will mich da nicht mal ausschließen. Und dann gibt es auch wieder Momente, und die überwiegen langsam aber sicher, in denen ich realisiere: Ich kann "es" nicht ändern - ich kann nur mich selbst ändern. Und das einzige, das wirklich sinnvoll ist, ist, dies zu fokussieren.
    "Der Mensch erschöpft sich in elitärem Denken und ist oberflächlich." - das hat mich sehr berührt, weil es so sehr stimmt. Manchmal denke ich, wir glauben tatsächlich, dass wir uns mit all dem Kram retten können, der doch letztlich nur den Verstand füttert und beruhigt. Und je mehr wir in der Lage sind, unseren Verstand das vermeintlich Hochgeistige verarbeiten zu lassen und je mehr wir dazu noch in uns abzutöten in der Lage sind, desto mehr Wert "dürfen" wir uns in dieser Gesellschaft beimessen - ja, anscheinend ist es manchmal wirklich so. Ach, na ja, ich weiß auch nicht - ich...ich spüre so ein Ziehen im Herzen, wenn ich deine Worte lese.

    Hm...da muss ich an die Worte von Ghandi denken: "Sei selbst die Veränderung, die du in der Welt sehen willst."
    Lass es uns anders machen. Anders sein. Meinst du, das bekommen wir hin?

    Liebe Grüße!
    Meike

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  2. Hallo Meike,

    tja, was soll ich sagen? Du hast recht mit deinen Worten, Ghandi hatte recht...und das zeigt, dass es immer wieder Menschen und Zeitpunkte gibt, in denen uns das bewusst ist, in denen wir erkennen, was wir da eigentlich tun und das es nicht gut ist (und nein, auch ich schließe mich da selbst nicht aus).
    Aber schlussendlich bleibt eben immer genau diese Frage übrig, die du eben gestellt hast: Bekommen wir das hin? Werden wir jemals in der Lage sein, das - uns - zu ändern?
    Tja...ich weiß es nicht, genausowenig wie du oder irgendwer sonst.
    Was bleibt ist eine stille Hoffnung, dass es irgendwann mal so sein wird.

    Wie immer, Danke für deinen Beitrag :)

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